"Wofür das denn?" wird sich bestimmt der eine oder andere fragen. "Ihr züchtet doch gar nicht?"
Ganz ehrlich, als ich damit anfing, hatte es einen ganz
einfachen Grund: ich wollte doch eigentlich "nur mal" wissen, wie denn
Charly's Tante Henriette aussieht. Ihr braucht nicht zu suchen: Es gibt
sie nicht ;-) Aber es interessierte mich halt, ob er mehr seinem Opa Sam
oder dem in den U.S.A. lebenden Finn ähnelt. Da ich gleichzeitig sehr
gerne fotografiere, boten sich Katzenausstellungen als neues
"Jagdrevier" an: auf jeder Ausstellung wurden die Kataloge auf der Suche
nach Verwandtschaft gewälzt. Und der Begriff Verwandtschaft wurde sehr
schnell ausgedehnt: Alles was Forestsprite als "Familiennamen" oder "so
etwas" als Vater oder Mutter hatte, wurde - wenn möglich - fotografiert.
(Meine Zurückhaltung stand mir da anfangs "etwas" im Wege ;-)
Mit der Zeit landeten dann auch immer öfter andere Coonies
in meiner Bildersammlung - und zwar ganz unabhängig davon, ob sie
optisch meinen Vorstellungen einer typvollen Maine Coon entsprachen oder
nicht. Alles mehr nach dem Motto: steht Coonie dran - und was steckt
drin?! Und so wurde auf einmal auch "die andere Seite" wieder
interessant: Wer steckte denn nun eigentlich im Stammbaum dieser
Samtpfote?
Züchterhomepages als Recherchemöglichkeit gab es anfangs
(1996) sehr selten. Aber die Maine Coon Database, die gab es schon im
Mai 1997 - sozusagen rechtzeitig zu Charlys erstem Geburtstag :-)
2000 war es dann soweit: um einen besseren Überblick über
die inzwischen gesammelten Stammbaumdaten zu haben, legte ich mir den
Catmanager zu. Und stellte überrascht fest, daß die Verwandtschaft der
Waldgeister tatsächlich auf die eine oder andere Art weitläufig
miteinander - na, ihr ahnt es schon ;-) verwandt war. Ohne die von
unseren Züchtern zur Verfügung gestellten Unterlagen wären wir nie in
der Lage gewesen, so schnell aus einem kleinen "Stammbaum-Steckling"
einen so umfangreichen "Familienstammbaum" zu erstellen.
Nach und nach lernten wir auch andere ihren Waldgeistern
verfallene Menschen kennen - und natürlich die dazugehörigen Samtpfoten.
Es entwickelten sich auch Freundschaften wie z. B. mit Gudrun und
Werner und ihren Coonies Ernie und Jenny. Ja, Ernie ... - durch ihn
mußten wir lernen, daß auch eine sorgfältig gezogene und liebevoll vom
Dosenöffner versorgte Rassekatze manchmal viel zu früh Abschied nehmen
muß. Durch seine Chronische Niereninsuffizienz (CNI) sorgte er als
erster Waldgeist dafür, daß ich mich mit dieser Erkrankung
auseinandersetzte. Mit dem Ergebnis, daß ich hoffte, es möge doch bitte
nie eine unserer Samtpfoten daran erkranken. Dieser Wunsch ging leider
nicht in Erfüllung ...
Normalerweise geht man - soweit ich weiß - nicht davon
aus, daß CNI ein Familienproblem sein könnte. (Die Erkrankung tritt
vermehrt in einem Alter ab 8 Jahren - quer durch alle Rassen, auch bei
den Hauskatzen - auf. In den letzten Jahren ist die Anzahl der
erkrankten Katzen sehr stark angestiegen und es spricht einiges dafür,
daß z. B. ein erhöhter Anteil der Ernährung mit Trockenfutter einen
negativen Einfluß ausübt.) Wir aber erhielten weitere Nachrichten über
CNI erkrankte Waldgeister. Auffälligerweise vermehrt aus einer
Verpaarung - sollte es Zufall sein? Wir beschlossen, es einfach im Auge
zu behalten. Vielleicht gibt es ja neben äußeren negativen Einflüssen
doch Katzen, deren Nieren "von Haus aus" anfälliger sind. Schließlich
gibt es ja auch Samtpfoten, die trotz 100 %iger Ernährung mit
Trockenfutter minderwertiger Qualität locker 18 Jahre alt wurden. Oder
sollten diese Mietzen die seltenen Gegenstücke zu den regelmäßig große
Alkoholmengen trinkenden, kettenrauchenden Menschen sein, die fast 100
Jahre alt werden?
Trotz alledem?!
Durch den guten Kontakt, den wir in den ersten Jahren noch
zu unseren Züchtern hatten, haben wir - so denke ich zumindest - eine
Menge Wissen übermittelt bekommen, was andere erst schmerzhaft durch
eigene Erfahrungen lernen: als Zuchtanfänger. Denn leider sind viele
Züchter anscheinend Anhänger vom "Code of Silence" = dem Gesetz des
Schweigens: Omerta.
Hier verschiedenes, was wir durch den Kontakt zur
Verwandtschaft der Waldgeister im Laufe der Jahre erfuhren (einige
Kapitel der Familiengeschichte - wir mußten allerdings mit Verspätung
auch lernen, daß uns leider wichtige Abschnitte nicht zur Verfügung
standen bzw. uns teilweise ihre Bedeutung erst zu spät klar wurde):
1996
Charly zieht bei uns ein: Die Tatsache, dass seine Züchter
den Wunsch haben, ihn einmal als Deckkater einzusetzen, sollte er sich
weiterhin so gut entwickeln, gibt uns ein sicheres Gefühl. Wir gehen
ganz selbstverständlich davon aus, daß man nur dann eigene
Nachwuchskater zur Zucht einsetzt, wenn man von den eigenen Linien (und
deren Gesundheit!) überzeugt ist. Sehr positiv empfinden wir auch die
Tatsache, daß sich "unsere" Züchter auch nach dem Umzug der Jungtiere
aus der Cattery in ihr neues Zuhause für deren Wohlergehen interessieren
und gegebenenfalls auch praktische Hilfestellung leisten. Wir erfahren
schon bald, daß das in der Züchterwelt leider keine
Selbstverständlichkeit ist...
1997
Bei einem Besuch entdecke ich bei Catch-A-Penny Nelly (unter
ihrem dicken Pelz fast vollständig versteckt) einen Tumor.
= Wir erfahren, daß es in den Anfangszeiten der Maine Coon
Zucht nicht selten Coonies gab, die an Krebs erkrankten.
Und daß Krebs bei Katzen meistens zu spät entdeckt wird:
auch Nelly gibt eine Operation nur einen kurzen Aufschub = schon bald
breiten sich erneut Metastasen aus und sie stirbt.
1998
Blazers Darcey, liebevoll Velvet genannt, stirbt (wenige
Wochen nachdem die Kitten ihres ersten und einzigen Wurfes verstorben
sind) ebenfalls: Diagnose Diabetes. Die sanfte Waldfee fehlt mir sehr
...
1999
Es verhärtet sich der Verdacht, daß Coontosh All-Track,
Kitty oder Kitty-Kid gerufen, unfruchtbar sein könnte: Deckversuche
durch verschiedene Kater bleiben erfolglos.
= Wir erfahren, daß kurz nach ihrer "Einwanderung" in
Deutschland im Frühjahr 1996 schon eine Gebärmutterentzündung
festgestellt wurde, die schnellstmöglich behandelt wurde. Es stellt sich
später heraus, daß Kitty wirklich keine Kitten bekommen kann. Keine
Behandlung hilft. Wir lernen, daß Schönheit nicht alles ist, sondern daß
es auch darauf ankommt, was IN der Katze steckt (Genetik, Gesundheit).
Und auch dass langjährige Züchter mit viel Erfahrung trotz aller
Vorsicht Pech bei der Auswahl ihrer Zuchtkatzen haben können. Kitty
bleibt noch mehrere Jahre in Nesse, aber sie zeigt uns deutlich, daß es
auch noch andere Gründe gibt, warum nicht jede Katze zu einem Leben in
einem (großen) Züchterhaushalt geeignet ist: Sie lebt erst wieder
richtig ihr eigentlich charmantes, aber anspruchsvolles Wesen aus, als
sie endlich Menschen nur für sich bekommt. Als Margrit und Gerhard in
ihr Leben treten ...
2000
Im Februar wird Silvermew Bobby zum dritten mal Vater. Die
letzte Gelegenheit ein kleines Katzenmädchen von Forestsprite Jeanny zu
adoptieren, da Carmen und Rudi die Zucht aufgeben wollen: Peggy gewinnt
unser Herz und zieht um. Da eine Halbschwester von ihr bei unseren
Freunden Gudrun und Werner lebt, bekommen wir mit, daß nicht nur Peggy
Probleme mit tränenden Augen hat, sondern auch Olympia (Maya). Der
Versuch einer medikamentösen Behandlung ist nicht dauerhaft erfolgreich.
2001
Unser Charly zeigt Ende des Jahres deutliche
Mangelerscheinungen und eine Zahnfleischentzündung. Vor allem die
Mangelerscheinungen stellen uns vor ein Rätsel: wir lassen ihn von
Holger, seinem Tierarzt behandeln und stellen zum ersten Mal die
Ernährung um.
2002
Fast genau ein Jahr später kommt der böse Verdacht auf,
daß Charly eine Allergie haben könnte. Bei Versuchen mehr darüber
herauszufinden, was da auf uns zukommen könnte, stelle ich überrascht
fest, daß wir mit Charly anscheinend nicht nur einen besonders
charmanten und charismatischen Kater haben, sondern eine wohl seltene
Species: ich finde schlicht und ergreifend keine Informationen über
andere Maine Coons mit Allergien :-/
2003
Im Juni steht die Diagnose endgültig: Charly hat eine
Futtermittelallergie und wir beschließen daraufhin, daß alle Waldgeister
in den gleichen sauren Apfel beissen sollen: die Ernährung der 3 wird
auf Rohfutter umgestellt.
Nach einigen nicht unerheblichen Problemen bessert sich
endlich Charly's Gesundheitszustand wieder.
Dafür fangen Peggy's Augen wieder an zu tränen. Da der
geplante Decktermin näher rückt und sowieso die Hüften untersucht werden
sollen (für eine Herzuntersuchung muß noch ein Termin beim Kardiologen
vereinbart werden), bitte ich unsere Tierärztin doch bitte auch ihre
Tränen-Nasen-Kanäle näher zu untersuchen. Denn inzwischen weiß ich, daß
auch noch mindestens 4 weitere ihrer Geschwister Probleme mit den
Tränen-Nasen-Kanälen haben - und ich möchte einfach sicher gehen. Das
Ergebnis haut uns um: Die Hüften sind o.k.,, aber ihre
Tränen-Nasen-Kanäle sind so eng, daß sie nicht einmal mit Hilfe einer
Kanüle für Kaninchen freigespült werden konnten (Diese Kanülen sind
wesentlich dünner als die für Katzen üblichen). Ich zögere nur kurz und
vereinbare dann noch in der Praxis einen Termin zum Kastrieren von
Peggy.
= Unsere bis dahin schmerzhafteste Lehrstunde: Nicht jeder
Wunsch läßt sich so erfüllen, wie man ihn sich erträumt ...
2004
Während es Charly inzwischen überraschend gut geht,
beschliessen wir im Frühjahr unsere besorgniserregend aussehende Gilly
u. a. einer Herzuntersuchung mit dem Color-Doppler unterziehen zu
lassen: Es kann nichts festgestellt werden, was ihren Zustand erklärt
und zur Überraschung der Ärztin, die sie in der Kleintierklinik Bremen
untersucht, ist Gilly - zum Zeitpunkt der Untersuchung - ein Maine Coon
Mädchen ohne HCM. Wir sind erst mal erleichtert und versuchen einen
positiven Einfluss auf ihre Gesundheit über die Ernährung zu bewirken:
scheinbar erfolgreich, denn unsere Brummhilde erholt sich.
Dafür machen sich im Laufe des Jahres weitere Allergien
(u. a. gegen diverse Pollen) bei Charly bemerkbar, die wir mit Hilfe
einer Desensibilisierung in Griff zu bekommen hoffen.
2005
Die Desensibilisierung scheint gute Fortschritte zu machen
und auch die Futtermittelallergie ist ihm nicht anzusehen.
Aber die Ergebnisse einer Blutuntersuchung Anfang November
reissen uns den Boden unter den Füssen weg:
Charly ist schwer an CNI und - wie sich kurz darauf
herausstellt - an HCM erkrankt, auch sein Blutdruck ist stark erhöht. Es
ist allen Beteiligten klar, daß die Situation lebensbedrohend ist und
wir versuchen - wieder einmal - sämtliche Register zu ziehen, um ihm zu
helfen: Spätestens jetzt zeigt sich, daß meine über mehrere Jahre
andauernde Sammlung an Informationen über die Verwandtschaft ihren Zweck
erfüllt. Während wir nur teilweise die Zusammenhänge erkannt haben,
helfen diese Informationen seiner klassisch arbeitenden Homöopathin
dabei, die richtigen Medikamente für ihn zu wählen. Trotz aller
gemeinsamen Anstrengungen ist es zu spät - das Leben können wir ihm
nicht mehr retten.
Aber 4 Wochen in denen wir voneinander Abschied nehmen
können - die haben wir uns erkämpft!
Noch in den Wochen des tiefsten Schmerzes beschließen wir,
so vielen Dosenöffnern von Waldgeistern wie möglich statt des üblichen
Weihnachtsgrußes einen Brief zu schicken, in dem wir sie eindringlich
bitten, vorsorglich die Herzen ihrer Samtpfoten untersuchen zu lassen.
Auch die Besitzer seiner Söhne versuchen wir zu informieren: wir haben
Angst, daß seine HCM genetisch bedingt sein könnte. Gleichzeitig setzen
wir allerdings auch eine Meldung auf die Homepage - in der Hoffnung, daß
sich vielleicht doch der eine oder andere nach einem Blick in den
Stammbaum seiner
Katze aufmacht, diese lieber schallen zu lassen.
2006
Die ersten Antworten kommen zurück - eine darunter trifft
uns besonders: unsere schlimmsten Befürchtungen werden wahr: aller
Wahrscheinlichkeit nach ist Charly's Vater Sully an HCM verstorben. Eine
100 %ige Sicherheit wird es nie geben - dazu bleiben zu viele Punkte
offen.
Den Tod unseres Goldbären können wir nicht ungeschehen
machen - aber damit es nicht umsonst war, werden wir weiterhin für ihn
schreiben. ER hat nie viel davon gehalten zu schweigen, wenn es etwas
wichtiges zu sagen gab:
In diesem Sinne: Gegen das Gesetz des Schweigens - Against the Code of Silence! |